Vor nicht allzu langer Zeit hatte die Eschringer Dorfgemeinschaft, nach langem Hin und Her, beschlossen, den durch einen Stall überbauten Laurentiusbrunnen wieder zugänglich zu machen. Ein neuer Schacht wurde gegraben, und der ortsansässige Steinmetz fertigte eine würdige Figur des Heiligen an. Natürlich musste die Einweihung des neuen Brunnens gebührend gefeiert werden, und so kam man um den Laurentiustag im August zu einem Fest zusammen. Man wollte auch Geld sammeln, denn der neue Brunnen hatte viel gekostet. Jede gute Idee war also willkommen. So gab es denn an diesem Tage in kleinen grünen Flaschen „Lorenzwasser“ zu kaufen, und viele Leute griffen zu – trotz des ordentlichen Preises. In den Nachbardörfern hatte sich dies herumgesprochen, und in Ensheim erzählte man sich staunend: „Ei, die Eschringer, die sinn’ ja schlauer, als mer denkt. Die verkaafen jetzt schon des Wasser aus ihr’m Lorenzebrunne fier deier Geld.“
Weil es ja Sommer war, hatte sich ein junger, durstiger Mann unterwegs an das Fläschchen „Lorenzwasser“, das er von Freunden geschenkt bekommen hatte, erinnert, und er nahm schließlich einen kräftigen Schluck daraus – im guten Glauben an ein köstliches, erfrischendes Nass. Doch er schreckte hustend und prustend zusammen, denn was er und manch anderer offenbar nicht wusste: In der Flasche war kein Brunnen-, sondern Obstwasser!