11.02.2002 – Menschen gestalten und verändern ihr Dorf!

Joachim Güth referierte bei der Eschringer Geschichtswerkstatt

Mit dem langjährigen Mitarbeiter des Instituts für Landeskunde hatte die Eschringer Geschichtswerkstatt am 11. März 2002 einen ausgewiesenen Kenner aller Aspekte der Siedlungsgeschichte und Stadt- bzw. Dorfkultur eingeladen. Unabhängig von der geplanten Teilnahme Eschringens am diesjährigen Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ sollte der über die Grenzen des Saarlandes hinaus bekannte, streitbare Wissenschaftler im Rahmen eines Diavortrages verdeutlichen helfen, wie ein Dorf wachsen und dabei seine Identität bewahren könne. Roland Schmitt als Vorsitzender der Geschichtswerkstatt war hocherfreut, dass sich im Saal des Gasthauses „Zur Post“ so viele zahlreiche interessierte Bürgerinnen und Bürger aus Eschringen, aber auch aus den Nachbargemeinden eingefunden hatten. Und sein Versprechen, dass man mit einem zwar äußerst kritischen, aber auch anregenden und unterhaltsamen Vortrag rechnen könne, erfüllte sich voll.

Schon eingangs seiner Ausführungen korrigierte Güth das Motto der Veranstaltung: „Eschringen – ein Dorf verändert sich!“ Zum einen existierten keine „klassischen“, von der Landwirtschaft geprägten Dörfer mehr. Viele sog. „Dörfer“ hätten sich radikal in ihren Strukturen und Funktionen gewandelt, dienten mehr und mehr nur noch als Wohngemeinden. Eschringen zähle mit seinen Neubaugebieten ja auch dazu. Zum anderen könne sich ein Dorf als anonyme Siedlung nicht verändern, hierfür seien im Menschen verantwortlich: die dort lebenden Bürger, Repräsentanten der zuständigen Verwaltung, dort agierende Unternehmer usw. Man müsse sich einen Fragenkatalog erstellen: Warum etwas wann, wie und wo verändert werde; wie es früher einmal gewesen und wie es „kulturvoll“ korrekt sei. Heutzutage würden sich viele Menschen von fremdbestimmtem Konsum leiten lassen; die Kardinalfrage heiße „Haben oder sein!“.

Nach seinen einleitenden Ausführungen zeigte Güth, assistiert von seiner Gattin am Diaprojektor, eine interessante Auswahl aus seinem großen Lichtbilderfundus. Mittels Doppelprojektion stellte er markante Bilder nebeneinander, darunter des öfteren Aufnahmen des gleichen Motivs, zu unterschiedlichen Zeiten aufgenommen. Somit konnte man z. T. gravierende Veränderung bestens erkennen. Über die Hälfte der Dias zeigten Panoramabilder und Fotografien unterschiedlichster Örtlichkeiten von und in Eschringen. Sie stammten aus den frühen 1980er Jahren, aber auch aus 2002. Mit schonungsloser Offenheit kritisierte er erkennbare Bausünden und unbedachte „Modernisierungen“ alter Häuserfassaden, erklärte, warum bestimmte Gehölze (z. B. Nadelbäume) nichts in einem Dorf zu suchen hätten („die gehören in den Wald, nicht in einen Vorgarten!“). Gleichwohl räumte er auch ein, dass er die Besonderheiten der Eschringer Geschichte durchaus kenne und diese auch in seiner Kritik berücksichtige. Gewiss hätten Artilleriebeschuss und Fliegerbombentreffer im 2. Weltkrieg zahllose alte Gebäude hier zerstört bzw. schwer beschädigt; auch der sog. „Wiederaufbau“ durch die „Organisation Todt“ habe ihre Spuren hinterlassen. Trotzdem monierte er, gingen viele Menschen oft gedanken- und geschichtslos mit ihrem unmittelbaren Lebensraum um, orientierten sich zu sehr an aufgesetzten, modischen, durch die Werbung vermittelte Trends: z. B. bei der Ziegelbedachung, bei der Fensterausstattung oder der („exotischen“) Gartengestaltung. Wenngleich sich so mancher im Publikum auch „getroffen“ fühlte, bot der anschauliche und spannende Vortrag auch viel zum Schmunzeln und sogar Lachen. Roland Schmitt dankte Herrn Güth und seiner Frau für die wertvollen Hinweise und Anregungen. Man werde sie, mit Blick auf die Teilnahme am Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“, aber auch generell für Eschringen zu nutzen wissen.