02.05.1999 – Ausstellungseröffnung „Napoleon auf Schritt und Tritt“

Im Feuerwehrgerätehaus Eschringen

Sie werden sich zurecht fragen, weshalb wir diese kleine Ausstellung hier in Eschringen und dann im Gerätehaus der Feuerwehr durchführen. Dazu möchte ich einige Worte, quasi als eine Art Einführung, an Sie richten.

Nun, das Phänomen „Napoleon“ fasziniert viele Menschen, und u. a. eben auch mich und meinen Sohn. Die letzten Jahre sind wir beide immer wieder irgendwie auf den „Kaiser der Franzosen“ aus Korsika gestoßen, und die große Napoleon-Ausstellung in Speyer im vergangenen Jahr brachte uns auf die Idee, die Sachen, die wir so über die Jahre hin gesammelt hatten, einmal einer kleinen Öffentlichkeit zu präsentieren. Besondere Schätze werden Sie nicht entdecken können, sondern eben alltägliche Dinge, die mit Napoleon und seiner Zeit in Verbindung zu bringen sind.

Und was haben Eschringen und die Feuerwehr mit Napoleon zu tun? Auf den ersten Blick wird man sagen, diese Zusammenhänge sind ja alle ziemlich konstruiert, und das stimmt wohl auch, aber man kann diese Verbindungen durchaus ziehen. Eigentlich wollten wir diese Ausstellung im benachbarten Gasthaus “ Zur Post“, dem – wenn man so will – Vereinslokal der Eschringer Geschichtswerkstatt machen. Doch dies ging aus terminlichen Gründen nicht. Und dann kam meinem Sohn in den Sinn, man könne es doch bei der Jugendfeuerwehr machen, denn die fahren im Sommer nach Spanien, und diese Reise ist nicht ganz billig. Mit der Ausstellung ließe sich vielleicht ein wenig Geld noch in die Reisekasse bringen.

Deshalb sind wir also hier bei der Eschringer Feuerwehr, der wir zum einen auch für die Bereitstellung der Räume, zum anderen für die Zusammenarbeit danken. Denn es gibt auch aktuelle, von der Jugendfeuerwehr in monatelanger Kleinarbeit gebastelte, aktuelle Dioramen zu bewundern.

Nochmals zurück zu Napoleon, zu Eschringen und der Feuerwehr.

In der Tat gibt es da gemeinsame Verbindungslinien, wenn man nur genau hinschaut. Der bislang älteste geometrische Plan Eschringens stammt aus dem Jahre 1804, also dem Jahr der Kaiserkrönung Napoleons, und wurde im Auftrag der französischen Gebietsverwaltung erstellt. In dieser Zeit stand ja die hiesige Bevölkerung den Errungenschaften (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) und Nachwirkungen der französischen Revolution durchweg positiv gegenüber, was sich allerdings mit den Jahren und der Macht- und Expansionspolitik Napoleons ändern sollte. Den die von ihm angezettelten Kriege erforderten die Rekrutierung von immer mehr jungen Soldaten, und die wurden auch in unserer Gegend gezogen. Dokumente hierzu gibt es z. B. in unseren Nachbargemeinden Bliesransbach und Ensheim. Weitere, andere Spuren führen z. B. auch zur Halberger Hütte (Napoleon persönlich genehmigte 1808 den Eigentümern, den Gebrüder Coulaux, die Erweiterung des damaligen Hammerwerks) oder nach Ormesheim (in der Nähe des Neuhofs soll sich einst ein optischer Telegraph der unvollendeten Linie Metz-Landau befunden haben), von Blieskastel („Schlangenbunnen“) oder Saarlouis (von dort stammte Marschall Michel Ney, „der treueste der Treuen“ unter den Gefolgsleuten Napoleons) ganz abgesehen. Und noch heute passieren wir bisweilen die Kaiserstraße, in Saarbrücken, in Schafbrücke, in Scheidt, in St. Ingbert, in Homburg, und diese Straßennamen beziehen sich eben nicht auf deutsche Kaiser, sondern auf Napoleon, der 1806-11 eine große Heerstraße von Paris nach Mainz hat anlegen lassen. Dann haben wir noch das BGB, das bürgerliche Gesetzbuch, das – wenn man so will – aus dem sog. „Code civil“ oder „Code Napoleon“ hervorgegangen ist. Noch deutlicher werden diese Spuren in den linksrheinischen Dialekten, also auch in den saarländischen; Beispiele sind auch Ihnen geläufig; dieser starke Einfluss des Französischen lässt sich für die Zeit von 1797 bis 1815, also die Napoleonische Zeit, nachweisen. Die prägende Gestalt Napoleons hat im 19. Jahrhundert zu unzähligen Sagen, Geschichten, Anekdoten und Liedern geführt, die z. B. von Karl Lohmeyer gesammelt worden, aber kaum mehr bekannt sind. Gleichwohl, immer wieder begegnen wir da Napoleon.

Und die Feuerwehr? Auch zur ihr lassen sich Bezüge herstellen. Denn Napoleon legte großen Wert auf effektiven Brandschutz (so gut das seinerzeit zu organisieren war) und sorgte vor allem für den Ausbau des Pariser Feuerwehrcorps, das 1811 von drei Kompanien zu einem Bataillon aufgestockt wurde. Einer seiner Generäle, Georges Mouton aus (dem von uns aus nicht weit entfernten) Phalsboug gilt als Weiterentwickler des Spritzenwagens, wenngleich er später auch dessen Möglichkeiten zur Bekämpfung von Demonstranten (per Wasserwerfer!) nutzte.

Was die Zinnfiguren betrifft, so stellen viele dieser traditionsreichen Modelle nicht nur Soldaten aus napoleonischer Zeit dar, sie wurden auch von Napoleon und seinem Stab zu strategischen „Sandkastenspielen“ verwendet.

Bemerkenswert bleibt, angesichts des häufigen Gebrauchs seines Konterfeis, seines charakteristischen Hutes oder einfach nur seines Namens – bei welchen Produkten auch immer -, daß eine solch umstrittene Figur wie Napoleon überhaupt als Werbepersönlichkeit in Betracht kam bzw. noch kommt. Hatte er denn nicht die Ideale der Revolution verraten, statt dessen eine aufgeblasene, durch Vetternwirtschaft gekennzeichnete Willkürherrschaft errichtet und – was noch schwerer wiegt – unzählige Kriege angezettelt und dabei Hunderttausende Menschen in den Tod geführt? In Frankreich wird er trotzdem bis heute verehrt, und auch anderswo – selbst beim Erzfeind, den Engländern, gesteht man ihm – bei aller Kritik – eine gewisse Größe zu, wohl auch integres und faires Verhalten gegenüber seinen Gegnern. Und man scheint seine Vision eines geeinten Europa (allerdings unter der Führung Frankreichs!) als anstrebbares Ziel zu würdigen können. Licht und Schatten halten sich bei Napoleon offenbar die Waage; er eignet sich eben nicht zur Dämonisierung, wie bei Stalin oder Hitler geschehen.

(Roland Schmitt)