27.05.2000 – Exkursion der Geschichtswerkstatt ins „Krumme Elsass“

Nach fünfjähriger Pause führte die Eschringer Geschichtswerkstatt am 27. Mai 2000 wieder eine historisch ausgerichtete Bustagesfahrt durch. Ziel war dieses Mal das „Krumme Elsass“ bzw. Orte der ehemals zum Fürstentum Nassau-Saarbrücken gehörigen Grafschaft Saarwerden.

Bekanntlich reicht das „Krumme Elsass“ in lothringisches Gebiet wie ein Zacken hinein. Nach dem 30jährigen Krieg blieb diese Region unter der Lehnsherrschaft des deutschen Kaiserreiches und wurde erst 1793 französisch. Verschiedene Nationalitäten, Holländer, Schweizer, Deutsche und Österreicher mit ihren unterschiedlichen Glaubensrichtungen, lernten hier ein friedliches Miteinander, weshalb das „Krumme Elsass“ gerne als kleine europäische Keimzelle betrachtet wird.

Roland Schmitt, Leiter der Geschichtswerkstatt, konnte eine fast 50-köpfige Reisegruppe begrüssen, der neben Einheimischen und Interessierten aus den Nachbargemeinden auch Gäste aus Sulzbach, Saarlouis, selbst der münsterländischen Stadt Werne angehörten. Los ging es vom Treffpunkt am Gasthaus „Zur Post“ über Sarreguemines, Herbitzheim und Oermingen nach Lorentzen, der ersten Station. Das schmucke Straßendorf an dem Saarnebenflüsschen Eichel ist nach dem heiligen Laurentius benannt, bekanntlich auch der Schutzpatron Eschringens. Vor dem ehemaligen Wasserschloss, das einst Friedrich II. von Saarwerden zwischen 1328 und 1334 erbauen ließ und das über die Jahrhunderte einige Veränderungen erfahren hatte, nahm Mme Herta Muller die Reisegruppe in Empfang.

Mme. Herta Muller erzählt von der Ortsgeschichte Lorentzus (li.: die evangelische Kirche; re.: die alte Mühle)

Sie erläuterte kundig die Besonderheiten des Dorfes, dessen fast geschlossene Architektur aus dem 18. Jahrhundert stammt. Mme Muller geleitete die Gruppe in die evangelische Kirche mit dem mittelalterlichen Turm und in das Schlossensemble mit Zehntscheuer und Mühle. Als eine der wenigen Residenzen der Fürsten von Nassau-Saarbrücken hat das seit 200 Jahren privat genutzte und bewohnte Schloss die Französische Revolution unbeschadet überdauert.

Abschließend zeigte Mme Muller den Besuchern, was die Gemeinde Lorentzen aus der ehemaligen katholischen St. Laurentius-Kirche, die nach Plänen von F. J. Stengel um 1768 erbaut worden war, geschaffen hat. Sie beherbergt inzwischen einen Saal für kulturelle Veranstaltungen sowie eine Bibliothek; ein drohender Abriss konnte somit vermieden werden. In nachfolgenden Gesprächen wurde deutlich, dass es bemerkenswerte Verbindungen zwischen Eschringen und seinen Nachbargemeinden und Lorentzen gibt, sowohl in Sagen (z. B. vom „(Sch)lappehut“) als auch in fast vergessenen zwischenmenschlichen Beziehungen. Mme Muller kündigte an, mit der Geschichtswerkstatt in Kontakt zu bleiben und lokalspezifische Erkenntnisse auszutauschen.

Pfarrer Hubert Fichter erläutert die Besonderheiten der Stengelkirche in Harskirchen

Von Lorentzen führte der Weg über Domfessel und Sarre-Union schließlich nach Harskirchen, wo im Restaurant „Belle Vue“ der Mittagstisch die Reisegruppe erwartete. Auf das schmackhafte Menu folgte dann im Ortszentrum die Besichtigung der größten Stengel-Kirche des Krummen Elsass’. In der hübschen Gemeinde (ehemals Sitz des für die nassau-saarbrückischen Teile der Grafschaft Saarwerden zuständigen Oberamtes) ragt die evangelische Kirche, die zwischen 1766-67 nach den Plänen von F. J. Stengel erbaut wurde, deutlich heraus. Pfarrer Hubert Fichter erläuterte kompetent und engagiert die Besonderheiten dieses beachtlichen Sakralbaus. Wie die meisten evangelischen Kirchen von Stengel besitzt er drei Portale. Im Inneren waren Fresken zu bewundern, die die Porträts der 12 Apostel darstellen. Pfarrer Fichter äußerte seine Hoffnung, dass in absehbarer Zeit eine umfassende Renovierung dieser sehenswerten Kirche erfolgen werde.

Die Reisegruppe vor dem „Musée de l’Alsace Bossue“

Die letzte Station der Exkursion bildete Sarre-Union mit seinem „Museum des Krummen Elsass“. Die Hauptstadt des „Alsace Bossue“ war 1794 durch Zusammenlegung des Ortes Bockenheim (Bouquenom) am rechten Ufer der Saar mit dem zu Beginn des 18. Jahrhunderts am linken Ufer gegründeten Neu-Saarwerden entstanden. Nach dem Tod des letzten Grafen von Saarwerden 1397 ging Bouquenom in den Besitz des Grafen von Nassau-Saarbrücken über. Die Stadt, ehemaliges Lehen des Bischofs von Metz, wurde 1527 an zu einem Zankapfel zwischen den Häusern Lothringen und Nassau. Der Vertrag von Rijswijk 1697 nahm den Nassau-Saarbrückern ihre Hauptstadt, die damals an Lothringen fiel. Deshalb beschlossen sie den Bau einer neuen Stadt: Neu-Saarwerden (heute Villeneuve) wurde seinerzeit auch zum Zufluchtsort zahlreicher französischer Hugenotten, denen die Nassau-Saarbrücker Heimatrecht anboten. Bouquenom fiel 1766 nach dem Tod des letzten Herzogs von Lothringen an Frankreich.

Nach einer letzten Verschnaufpause trat die Reisegruppe der Eschringer Geschichtswerkstatt die Heimfahrt über Sarralbe und Sarreguemines an. Die Teilnehmer waren sich mit Leiter Roland Schmitt einig, dass diese schöne Nachbarregion vor der „saarländischen Haustüre“ gewiss eine weitere Visite wert sei.

Dass die Reisegruppe letztlich großes Glück gehabt hatte, stellte sich unmittelbar nach Ankunft in Eschringen heraus. Busfahrer Gérard Wächter musste mit Schrecken feststellen, dass zwei Hinterreifen des nagelneuen Busses geplatzt waren. Nicht auszudenken, wenn diese Panne unterwegs passiert wäre!